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Europa ist mehr als der Euro

img 02Kommentar von Ruth Reichstein

Wohltuend waren sie, die wenigen Minuten am vergangenen Freitag, als die in Brüssel versammelten Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union sich vom Krisentisch loseisten und den EU-Beitritt Kroatiens offiziell besiegelten. Festlich war die Stimmung da im Saal. Und irgendwie auch voller Hoffnung. Beides Attribute, die zurzeit selten sind bei Veranstaltungen in Brüssel.

Denn die EU-Hauptstadt steckt ganz tief im Krisenschlamm. Und das ist mittlerweile nicht nur frustrierend für die Journalisten, sondern wird auch gefährlich für das gesamte europäische Projekt und die Rolle der Europäischen Union in der Welt. Die Erde hört schließlich nicht auf, sich zu drehen, nur weil ein paar Staaten in Europa zu hohe Schulden haben. Die Frage, wie viel Prozent Zinsen die Republik Griechenland oder das Königreich Spanien für ihre Staatsanleihen am Finanzmarkt bezahlen müssen, interessiert außerhalb des europäischen Kontinents herzlich wenig.

Sicher: Die Banken-, Wirtschafts- und Schuldenkrise ist bedrohlich für die europäischen Länder. Es ist die Pflicht unserer Politiker, Auswege zu suchen und nicht die Hände in den Schoss zu legen und zuzuschauen, wie der Euro und die Europäische Union langsam, aber sicher untergehen. Das würde jedem beteiligten Kapitän später zur Last gelegt.

Aktionismus statt Politik

Der Aktionismus der vergangenen Wochen löst Europas Probleme jedoch auch nicht. Nach wie vor ist der Euro unter Beschuss - auch nach den Beschlüssen vom EU-Gipfel Ende vergangener Woche, bei dem die deutsche Kanzlerin Angela Merkel gegen den Widerstand des britischen Premiers David Cameron eine Änderung des EU-Vertrags durchgedrückt hat. In Zukunft wollen sich demnach alle Euro- und fast alle EU-Länder an strikte Haushaltsregeln halten und Brüssel eine strengere Kontrolle über die heimischen Finanzen einräumen.

Aber weder die Börsen noch die Ratingagenturen zeigten sich davon beeindruckt. Die US-Ratingagentur Moody's bekräftigte gleich am Montag, dass sie die Eurostaaten demnächst einer genauen Prüfung unterziehen will und eventuell ihre Kreditwürdigkeit herabstufen wird - Vertragsänderung hin oder her.

Europa verheddert sich und macht sich lächerlich

Langsam, aber sicher macht sich die Europäische Union lächerlich. Ihre Politiker verbreiten einen andauernden Pessimismus. Und Europa verliert seine Stimme in der Welt, wenn es weiterhin nur Nabelschau betreibt und sich im Krisenmanagement verheddert. Die Krise ist längst zum Vorwand geworden, um sich nicht mit anderen, eigentlich genauso drängenden Problemen zu beschäftigen.

Zwei Beispiele: Vor zwei Jahren haben sich die EU-Staaten dazu verpflichtet, dass ihre Regierungen bis zum kommenden Jahr ein gemeinsames europäisches Asylsystem erarbeiten müssen. Doch die zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström kommt nicht vorwärts. Sie muss feststellen, dass es in der Krise unmöglich ist, Regierungschefs davon zu überzeugen, dass legale Einwanderung vereinfacht und Kriterien für politisches Asyl vereinheitlicht werden müssen.

Krisenopfer Migrationspolitik

Die Kommissarin ist verständlicherweise frustriert: Immer wieder wird ihr gesagt, die Arbeitslosigkeit sei zu hoch, um über Einwanderung zu sprechen. Aber dass das auch wieder anders werden wird, will keiner hören. Und das, obwohl die Zahlen eine klare Sprache sprechen: Im Gesundheitsbereich werden nach Schätzungen der Europäischen Kommission in ein paar Jahren 200.000 Arbeitskräfte fehlen, Im IT-Sektor sogar 800.000.

Auf diese Engpässe muss Europa sich vorbereiten. Jetzt. Trotz Krise. Sonst wird sich die Wirtschaft nie erholen können. Dazu kommt die humanitäre Dimension. In Syrien tobt nach wie vor der Kampf um den Machtwechsel. Und aus Nordafrika kommen noch immer Flüchtlinge übers Mittelmeer, die von einer Zukunft in der sicheren EU träumen. Das kann Europa nicht einfach ignorieren.

Würdiger Umgang mit Flüchtlingen

Wir haben eine Verantwortung, mit Flüchtlingen menschenwürdig umzugehen. Aber unsere Einwanderungspolitik ist das erste Opfer der Finanzkrise. Sie passt nicht in die Zeit. Also wird ihre eigentlich dringend anstehende Reform immer weiter verschoben - ungeachtet der Konsequenzen für Einwanderer und Wirtschaft.

Das zweite Krisenopfer ist der Klimaschutz. Zwar haben gerade alle Länder in Durban erklärt, dass sie an einem Abkommen nach 2020 arbeiten wollen. Aber das war's dann auch schon. Umweltverbände und Klimaschützer bezweifeln, ob die Erklärung überhaupt etwas wert ist. Sicher ist, dass von Durban kein starkes Signal für mehr Klimaschutz ausgegangen ist. Und das liegt mit Sicherheit auch daran, dass die EU-Politiker, die einst als Vorkämpfer in Sachen CO2-Verminderung galten, zu Hause geblieben sind.

Eurorettung geht vor Klimaschutz

Angela Merkel, die sich noch vor wenigen Jahren als Klimakanzlerin feiern ließ, war die Eurorettung in Brüssel wichtiger. So wichtig, dass sie es auch vor und nach dem eineinhalbtägigen Gipfel in der EU-Hauptstadt nicht nach Südafrika geschafft hat. Sie schickte ihren Umweltminister. Die Konferenz und der Klimaschutz wurden damit auf den zweiten Rang verwiesen. So lassen sich weder Chinesen noch Amerikaner beeindrucken.

Der Europäischen Kommission kann man in diesem Fall keinen Vorwurf machen. Sie versuchen einiges, was vor allem zwei engagierten Frauen, der Innenkommissarin Cecila Malmström und der Klimakommissarin Connie Hedegaard, zu verdanken ist. Aber die Mitgliedstaaten der Union ziehen nicht mit.

Der Überblick geht verloren

Die Krise ist zum Alibi geworden für Europas Politiker. Sie verstecken sich hinter Finanzproblemen, um unangenehmen Fragen auszuweichen. Sie drücken Sparprogramme durch, erfinden immer neue Rettungsschirme, Fonds und Regeln - und verlieren dabei den Blick fürs große Ganze.

Derweil versinkt die Europäische Union in Hoffnungslosigkeit. Vom einstigen Projekt zur Einigung der Völker bleiben nur noch ein paar verbeulte Euromünzen übrig. Aber wer die Europäische Union auf den Euro reduziert, der gefährdet das gesamte europäische Projekt. Und das kann nicht mehr lange gut gehen.

http://www.taz.de/Debatte-Europa-und-seine-Krise/!83625/

 

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Europäische Union
Die Institutionen der EU sind meine Spielwiese. Egal ob es um die Finanzkrise oder den Beitritt eines neuen Mitgliedsstaates geht – ich bin mittendrin als scharfe Beobachterin. Seit 2004 habe ich ein dichtes Netzwerk aufgebaut, sodass schnelle und gründliche Recherche selbstverständlich ist. Die EU-Politik für Leser, Zuschauer und Hörer begreifbar machen, ist mein Ziel in Beiträgen und Reportagen.

Recherchereisen
Mali, Philippinen, Guatemala, Marokko – immer wieder mache ich mich auf die Reise. Alleine oder gemeinsam mit dem Verein journalist.network. Neues entdecken und Altes hinterfragen, das will ich, wenn ich Orte besuche, die so ganz anders sind als die EU-Blase Brüssel.

Benelux
Drei Länder, die zwar klein sind, aber voller Überraschungen stecken: Belgien hat nach eineinhalb Jahren Dauerstreit zwischen Flamen und Wallonen endlich wieder eine Regierung und kämpft mit zu vielen Staatsschulden. Die Niederlande testen gerade mobile Sterbehilfe. Und in Luxemburg kämpft die Jugend mit dem Image des Bankenparadieses.

 

Videojournalistin
Ganz nah dran und einfühlsam berichten – das sind für mich die Vorteile, wenn ich als Videojournalistin unterwegs bin. Ausgebildet von der Deutschen Welle reise ich gerne mit der Kamera durch Europa, aber auch auf andere Kontinente. Und manchmal – wie bei der afghanischen Flüchtlingsfamilie in Athen - ist sogar der Raum so klein, dass ein Kamerateam gar nicht reingepasst hätte.

Reportagen
Egal ob in Schrift, Bild oder Ton – Reportagen nah am Menschen sind mir am liebsten. Fühlen, sehen, hören und schmecken, wie es einem Menschen geht, sein Leben begreifen und es anderen begreifbar machen. Herausforderungen aufspüren und nacherzählen, Portraits entstehen lassen.

Migration und Entwicklung
Warum verlässt ein Mensch seine Heimat? – Auch ich habe das vor einigen Jahren getan. Vielleicht faszinieren mich deshalb die Schicksale der Menschen, die sich auf den Weg machen, um ihr Leben zu retten, ihre Familie zu versorgen oder Abenteuer zu erleben.

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