Die dreijährige Yaren Sevval Öztürk braucht eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung. Sie hat von Geburt an eine Muskelschwäche. Sie kann kaum alleine atmen, kann sich nicht aufsetzen oder ihren Kopf selber halten. Ihre Nahrung bekommt sie über eine Sonde direkt in den Magen.
Ihre Eltern kümmern sich, so gut sie können. Aber ohne die Gesundheits- und Pflegekräfte vom Diakonischen Werk in Dortmund würden sie es nicht schaffen, sagen sie. Die Beatmung von Yaren muss ständig überwacht werden. Auch nachts muss dafür immer einer wach bleiben. An mehreren Tagen und Nächten in der Woche übernimmt das Heike Viethen. Die 26-jährige Pflegerin betreut mehrere Kinder mit schweren Krankheiten, geht mit ihnen in den Kindergarten, spielt, singt mit ihnen und füttert sie.
"Ich kann nicht warten, bis der Arzt kommt"
Aber sie übernimmt auch Aufgaben, die normalerweise in den Verantwortungsbereich eines Arztes fallen. Sie muss zum Beispiel Sauerstoff geben, wenn die Sättigung im Blut zu stark abfällt. „Ich kann nicht darauf warten, dass der Arzt kommt. Ich muss schnell entscheiden, um Yarens Leben nicht zu gefährden“, sagt Heike Viethen. Während ihrer Ausbildung im Krankenhaus musste sie zum Beispiel Blut abnehmen, was normalerweise ebenfalls ein Arzt machen müsste.
Sie mag ihren Beruf. Aber es verletzt sie, dass sie von vielen Menschen noch immer als minderwertige Krankenschwester abgestempelt wird. Ihr fehlt die Anerkennung des Pflegeberufes in der Gesellschaft. „Natürlich gehört es dazu, das Essen zu bringen oder den Popo der Patienten abzuwischen. Aber unser Beruf ist noch viel mehr.“
EU-weit 12 Jahre Schulbildung
Die Europäische Kommission sieht das genauso. Deshalb will sie, dass Pflegekräfte in Zukunft überall in der Europäischen Union mindestens zwölf Jahre Schulbildung nachweisen. In allen anderen EU-Mitgliedsstaaten ist das bereits so. Nur Deutschland und Luxemburg machen eine Ausnahme. Österreich ist gerade dabei, sein System auf zwölf Jahre umzustellen.
Die deutsche Bundesregierung befürchtet, dass eine solche Verlängerung der Ausbildungszeit den Pflegenotstand verschärfen würde. Außerdem sei es für die Pflegekräfte viel wichtiger, soziale Kompetenzen zu haben als eine längere Ausbildung, so FDP-Gesundheitsminister Daniel Bahr. Heike Viethen findet das nicht. Beides gehöre zu ihrem Beruf, sagt die junge Frau. Sie ist für eine Verlängerung der Ausbildung. „Mit 16 Jahren sind die meisten überhaupt noch nicht reif dafür und von vielen Situationen völlig überfordert“, sagt sie. Außerdem hofft sie, dass durch die längere Ausbildung der Beruf langfristig auch eine bessere Anerkennung in der Gesellschaft bekommt – verbunden mit einer besseren Bezahlung der Pflegekräfte.